Heute Abend: Ein Zeichen gegen gestern

Mensch, da hat doch glatt der Münchner Stadtrat letzten Mittwoch beschlossen, dass keine städtischen Räume mehr für Veranstaltungen hergegeben werden dürfen, die in irgend einer Weise mit der Boykottbewegung BDS assoziiert werden. BDS?? Boykott, De-Investitionen, Sanktionen? Nie gehört?? Diese gewaltfreie Bewegung, die sich die Palästinenser bei den Südafrikanern abgeschaut haben? Die Grundidee dahinter ist: Kauft bitte keine israelischen Produkte – schon gar nicht aus den Siedlungen – solange nicht dieser schreckliche Zustand der Besatzung aufgehoben ist und Palästinenser frei und selbstbestimmt sind. Ist doch klar, oder? Wir stecken doch alle nicht unser Geld in Dinge, die wir nicht gut finden, oder? Jedenfalls nicht wissentlich. Ich zum Beispiel kaufe selten Fleisch, und wenn, dann möglichst von meinen Biobauern-Freunden und niemals aus Massentierhaltung. Ich bin also eine Boykotteurin der Fleischindustrie und dazu stehe auch.

Hier in Deutschland wird BDS, diese gewaltfreie zivilgesellschaftliche Bewegung, gerne als antisemitisch eingestuft. Dabei merken die gar nicht, wie sehr sie dem Kampf gegen echten Antisemitismus schaden, indem sie behaupten, dieser Boykottaufruf sei gleichzusetzen mit dem rassistischen Dreck der Nazis „Kauf nicht bei Juden!“. Bullshit! Nazis wollten Juden vernichten, das haben sie auch millionenfach getan. Dies gehört zu den größten Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts.

Menschen, die ihr Geld nicht in israelische Produkte investieren, wollen Freiheit und Gerechtigkeit für Palästinenser, bestenfalls einen palästinensischen Staat, der irgendwie gleichberechtigt neben einem israelischen existiert. Das ist doch nicht so schwer zu begreifen, oder?

Nun bin ich selbst keine BDS-Aktivistin. Also ich stelle mich nicht auf die Straße und werbe nicht für BDS und sammle auch keine Unterschriften gegen israelische Produkte. Ich sammle gerade Unterschriften für eine Petition an Angela Merkel. Die spricht nämlich immer von einer Zwei-Staaten-Lösung, von der ohnehin jeder weiß, dass sie auf dem Boden der Tatsachen nicht mehr stattfinden kann. Aber gesetzt den Fall, man würde Palästina als Staat anerkennen, so wie das die UNO bereits vor fünf Jahren getan hat, dann wären doch zumindest formal die Voraussetzungen gegeben, dass zwei Staaten auf ein und dem selben Territorium de jure existierten. Die müssten sich irgendwie einigen darüber, wie ihre Staatsbürger dort gleichberechtigt und friedlich miteinander oder nebeneinander leben. Aber eben leben – nicht sterben. Nicht bedrohen und beschießen und einsperren und hinter Mauern verbannen. Wird mal Zeit, dass die kapieren, dass das die einzige Chance für Israel ist, auf Dauer in Sicherheit zu leben und überhaupt zu existieren. Und dazu kann Deutschland einen Beitrag leisten, indem es politischen Druck auf Israel ausübt und klar macht: Israel, Du bist unser Freund und wir haben Dich längst anerkannt. Aber da gibt es auch noch die Palästinenser, die werden auch nicht weniger (selbst wenn Ihr Euch das erhofft), sondern eher mehr. Daher erkennen wir deren Staat erstmal an und helfen Euch dann gerne (wenn Ihr das möchtet), miteinander klar zu kommen.

In anderen Worten: Bitte unterschreibe die Petition, die wir, also das Bündnis für die Beendigung der israelischen Besatzung BIB, diese Woche gestartet haben, und teile sie in Deinem Freundeskreis!

Noch ein Wort zum Beschluss des Stadtrats: Die Vorgänge in München sind in jeder Hinsicht empörend. Man muss nicht alle Details kennen; doch auch nach der Beurteilung einer Juristin wird klar: Es geht weder um BDS noch um Antisemitismus. Es geht einzig allein darum, jegliche Kritik an israelischer Besatzungspolitik nicht zuzulassen, und das verstößt gegen unsere demokratischen Grundrechte.
Ihr Münchner Stadträte, Ihr lasst Euch erzählen, Israelkritik und BDS sei antisemitisch und es drohe schon ein zweiter Holocaust in Deutschland?!  Ist es in Euren Augen wirklich nicht OK, darauf zu pochen, was die Welt schon längst weiß: Besatzung ist falsch und schädlich, Siedlungen auf gestohlenem Land bauen ist völkerrechtswidrig, Kinder verhaften und einsperren ist verboten! Glaubt Ihr, Ihr dürft das nicht aussprechen, weil die Eltern oder Großeltern Eurer israelischen Freunde von Euren Eltern oder Großeltern verfolgt und ermordet wurden? Ist es das, was Ihr glaubt? Leute, wacht auf: Diese Schuld ist nicht durch Wegsehen wieder gut zu machen. Und auch durch sonst nichts. Diese Schuld, die Eure Eltern und Großeltern auf sich geladen haben, ist eine Katastrophe, die aus unserer gemeinsamen Geschichte durch gar nichts rückgängig oder ungeschehen zu machen ist. Sie ist prägend und nimmt uns alle in die Verantwortung. Diese Verantwortung hat im deutschen Sprachschatz einen guten Ausdruck gefunden: NIE WIEDER! Dieses „Nie wieder“ muss unser aller Maxime sein, wenn es um Rassismus und Verletzung von Menschenrechten geht, mit wem auch immer wir als Deutsche in Beziehung stehen, egal wann und wo und in welchem Ausmaß. Und genau darum müssen wir unsere Freunde vor Rassismus und Menschenrechtsverletzungen warnen, auch wenn deren Verbrechen nicht vergleichbar sind mit denen der Nazis, weil gar nichts vergleichbar ist mit der Vernichtung der europäischen Juden.

Wenn Ihr, liebe Stadträte, Euch also erzählen lasst, diese ohnehin kleine Gruppe aufrechter KämpferInnen gegen die israelische Besatzungspolitik würde einen zweiten Holocaust herauf beschwören, dann seid Ihr es, die die Erinnerung an den Holocaust und seiner Opfer in den Dreck zieht und verharmlost. Ihr seid doch Demokraten, Humanisten! Habt Ihr vergessen, dass Meinungsfreiheit als höchstes Gut dazu gehört? Lest Euch mal durch, was die Humanistische Union Deutschlands dazu sagt.

Dass die Münchner Presse nicht ein Wort zu diesem Stadtratsbeschluss gedruckt hat, spricht Bände.


Soviel dazu.

Ansonsten freue ich mich über Deinen Besuch bei einer der beiden kommenden Vorstellungen JIDDISCHE WEIHNACHT am heutigen 3. Adventssonntag, dem 17.12. um 17 Uhr, und am Donnerstag, 21.12. um 20 Uhr im Theater Blaue Maus in München. HIER gibt es mehr Infos zum Programm und sogar ein kleines Video aus einem BR-Beitrag von vor ein paar Jahren.

Zum Schluss noch ein Zitat meines Großvaters Julius, dem die JIDDISCHE WEIHNACHT gewidmet ist, hier gelesen vom wunderbaren Martin Umbach. Zugegeben, ich habe GroßvaterJulius die Worte in den Mund gelegt… aber vielleicht hat er sie mir zuvor schon ins Herz gezaubert?

Dir und Deinen Lieben (und auch allen anderen, die uns nicht so lieb haben) wünsche ich viel Licht und Wärme und Liebe in dieser dunklen Jahreszeit und ein segensreiches Neues Jahr 2018!

Herzlichst,