In meinem letzten Brief des Jahres möchte ich Deine Aufmerksamkeit ein weiteres Mal auf die Situation in Gaza und in der besetzten Westbank und damit auch auf Israel lenken. Dabei liegt mein Fokus immer wieder auf Israel, aus naheliegenden Gründen: ich komme aus Israel, ich spreche die Sprache, die allermeisten meiner Verwandten und viele meiner Freunde leben dort, ich besitze (neben meiner deutschen) auch die israelische Staatsbürgerschaft, das Land und viele Menschen, die da leben, liegen mir am Herzen — und „meine“ Regierung begeht dort seit Jahrzehnten massive Menschenrechtsverbrechen, die immer schon schrecklich waren, aber seit über einem Jahr geradezu obszön kulminieren, während die Welt zusieht. Dabei behauptet sie, sie spräche und handle im Namen aller Juden weltweit.
DAGEGEN VERWAHRE ICH MICH!
NOT IN MY NAME!
Und mit mir stehen Hunderttausende anderer Jüdinnen und Juden weltweit, individuell oder organisiert in Jewish Voice für Peace in den USA, Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost in Deutschland, deren Mitglied ich bin, European Jews for a Just Peace und vielen anderen Organisationen. Dabei sind wir sehr unterschiedlich in unseren (nicht-)religiösen, persönlichen und politischen Ausrichtungen, sind uns in vielen Dingen uneinig und diskutieren zuweilen höchst kontrovers. Ist es ein Genozid oder ’nur‘ ein Völkermord? Kann man auch innerhalb Israels von Apartheid sprechen oder nur in den Besetzten Gebieten? Ist Netanyahu durch den Haftbefehl zu Recht mit Terroristen gleichgestellt oder nicht? Sollte man den Boykott gegen Israel als letzte gewaltfreie Maßnahme begreifen oder ihn nur gegen Institutionen und Produkte aus den illegalen Siedlungen anwenden?
Dies und tausende anderer Fragen werden (auch) in jüdischen Kreisen diskutiert — wenn’s gut läuft. Wenn’s schlecht läuft, dann reden auch Juden nicht mit Juden oder schlecht übereinander. Also alles ganz normal wie bei allen anderen Menschen auch. Aber zurück zu uns Aktivisten, die wir uns gegen die israelische Besatzungs- und Kriegspolitik positionieren. Bei all unseren unterschiedlichen Standpunkten sind wir uns über einen Punkt einig:
Frieden und Sicherheit für Israelis wird es erst geben, wenn alle Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan unter gleichen, freien und gerechten Bedingungen leben können.
Wir alle können die Zukunft nicht vorhersehen, daher wissen wir nicht, wie weit wir davon entfernt sind. Vielleicht passiert es im kommenden Jahr? Manchmal geschehen Wunder.
In diesem Sinne:
Ich wünsche Dir lichte Tage, Gesundheit, einen klaren Blick für das Wesentliche, ein offenes Herz für fremde Perspektiven und ein Wunder-volles Neues Jahr 2025!
Herzlichst,
Hier kannst Du die Arbeit von B’tselem ansehen und unterstützen:
https://www.btselem.org
Nicht viele Künstlerinnen und Künstler beziehen so klar Position wie diese britische Schauspiel-Kollegin Juliet Stevenson:
„What is the point of art, if not to address the great moral issues of our time?“
In Deutschland hat der Austritt vieler Schriftsteller aus dem PEN Berlin für Aufruhr gesorgt. Er verdient viel mehr Aufmerksamkeit! Hier deren Offener Brief in der Frankfurter Rundschau.
Der amerikanischen Journalist Chris Hedges hat aus vielen Kriegsgebieten berichtet. Hier spricht er mit dem Theologen Rev. Munther Isaac über Kriege und Weihnachten:
Und schließlich für die gläubigen Christen unter Euch (und für all jene, die sich dafür interessieren): Die diesjährige Predigt von Rev. Dr. Munther Isaac aus Bethlehem zum Nachlesen: