Aufhören zu schweigen

Während ich mich letzte Woche über ein blödes Plakat in Berlin echauffierte, fand in Jerusalem die Beerdigung der palästinensisch-amerikanischen Journalistin Shireen Abu Akleh, 51, statt. Shireen wurde bei der Ausübung ihrer Arbeit erschossen. Sie und ihre Kollegen waren „mit Kameras bewaffnet“, wie ein Sprecher der israelischen Streitkräfte erklärte und dabei jede Verantwortung von sich wies.

Shireen Abu Akleh (1971 – 2022)

In Jerusalem läuteten lange alle Kirchenglocken der Stadt, als Shireens Sarg unter den Knüppeln der israelischen Polizei zu Grabe getragen wurde. Dem Trauerzug schlossen sich Tausende an; örtliche Medien berichten vom größten Begräbnis, das Jerusalem seit Jahren erlebt habe. In deutschen Medien gab es darüber meist verhaltene Berichte*. Darum will ich hier einige verlinken, die das Geschehen um den Mord und die Bestattung von Shireen Abu Akleh und deren Bedeutung beleuchten.

Zum Tod von Shireen Abu Akleh von Karin Leukefeld, freie Nahost-Korrespondentin
Tod einer Zeugin von Lea Frehse, ZEIT ONLINE (hier als PDF)
Start here von Aljazeera, TV-Beitrag (10 Min, Englisch) mit Recherchen eine Woche nach Shireen Abu Aklehs Tod
Video von Überwachungskameras im und am Krankenhaus (Facebook)

*Wenn Du wissen willst, was ich mit „verhaltene Berichte“ meine und warum in Deutschland mit extremer Vorsicht über alles berichtet wird, was mit Rechten von Palästinensern und Unrecht seitens Israel zu tun hat, dann empfehle ich unbedingt den Dokumentarfilm

ZEIT DER VERLEUMDER von Dror Dayan and Susann Witt-Stahl
(© 2021, 102 min., Engl./Deutsch mit UT)

auf YouTube anzuschauen. Mit dem oberen Link kannst Du den Film ab Sonntag, 22. Mai 22, ab Mitternacht für 24 Stunden kostenfrei ansehen. Hier der Trailer dazu:

Trailer zu ZEIT DER VERLEUMDER

Wir müssen aufhören zu schweigen, wenn Unrecht geschieht, und endlich anfangen, über die wirklich wichtigen Dinge zu sprechen. Um unnötiges Blutvergießen zu verhindern, um nicht noch mehr Schmerz und Verzweiflung zu schüren.
Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber ich werde mich so lange wiederholen, bis es kein Unrecht zu beklagen gibt.
Ich weiß, das ist lang.

Herzlichst,

Bitte recht freundlich!

Vorgestern protestierte ich per Mail an die Senatsverwaltung in Berlin, weil sie die Aktion „Solidarisch gegen Hass“ mit einem hasserfüllten Plakat bewirbt und fördert. Das Plakat poste ich hier absichtlich nicht; es zeigt das Hinterteil eines Esels vor einer Wüste, bestückt mit Symbolen u.a. von Amnesty International, und fordert dazu auf, den „Antisemiten des Jahres“ zu suchen und ihn „in die Wüste zuschicken“.
Ich glaube daran, dass man schlimmen Dingen nicht zu viel Energie, Aufmerksamkeit oder gar eine Plattform bieten sollte. Auf meiner Website kann ich darüber bestimmen, was es zu sehen gibt und was nicht. Juhuuu.

Ich glaube aber auch daran, dass man sich gegen schlimme Dinge wie Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus wehren muss, zumindest sich dagegen aussprechen sollte. Auch Du kannst tun, indem Du diese gerade gestartete Petition unterzeichnest; da kannst Du auch das Plakat des Anstoßes sehen. Oder Du verfasst eine ähnliche Mail wie meine hier unten eingefügte direkt an die Senatsverwaltung. Nur eine Bitte: Bleibe dabei recht freundlich. Mit Hass bekämpfst Du keinen Hass.

Am Freitag, den 13. wünsche ich Dir ein Glück bringendes, schönes, friedliches und freundliches Wochenende!

Herzlichst,

Sehr geehrte Ansprechpersonen zum Thema Antisemitismus in Berlin!
Die Berliner Senatsverwaltung unterstützt dieses Plakat,

(das hatte ich beigefügt, zeige es hier aber nicht)
auf dem das Hinterteil eines Esels mit einem gelben Judenstern zu sehen ist, daneben BDS und Amnesty International, mit der Aufforderung, den „Antisemiten des Jahres und seinesgleichen in die Wüste zuschicken“. Das verstehen Sie unter „Solidarität gegen Hass“?!?
Wie genau gedenken Sie, die Leute, die Sie da ausfindig machen wollen
und denen Sie offensichtlich schon mal vorab das Label „BDS, Judenstern, ai“ auf den (Verzeihung:) Arsch gedruckt haben, „in die Wüste zu schicken“? Ist das tatsächlich Ihr Verständnis von Demokratie, von einer pluralistischen Gesellschaft? Glauben Sie wirklich, dass man mit solchen Aktionen Hass reduziert — noch dazu bei einer Veranstaltung am Jahrestag der Nakba, an dem Millionen von Palästinensern weltweit und anerkanntermaßen ihrer Vertreibung von 1948 gedenken?
Ich protestiere in aller Vehemenz gegen dieses Plakat, das vor Hass und Entwürdigung nur so strotzt, und fordere Sie auf, endlich Maßnahmen zu unterstützen, die wirklich dazu geeignet sind, Antisemitismus zu bekämpfen, zu verhindern und irgendwann einmal zu beseitigen! Die „Kampagne aus Berlin“ ist nicht „solidarisch gegen Hass“, sondern bewirkt das genaue Gegenteil.
In Erwartung Ihrer baldigen Antwort verbleibe ich
hochachtungsvoll,
Nirit Sommerfeld

PS: Ich bekam umgehend eine Antwort vom Büro des Antisemitismusbeauftragten, das sich für den Hinweis auf das Plakat bedankte, von dem es wohl keine Kenntnis hatte. Mir wurde versichert, man teile mein „Unverständnis“ und meine „Empörung“ darüber und dass sich der „zuständige Ansprechpartner beim Berliner Senat“ dazu äußern werde. Das ist bisher nicht geschehen. 

Clowns. Putin. Frieden!

Morgen, Mittwoch, den 4. Mai 22, 19 Uhr, werde ich eine Online-Talkshow mit den Klinik Clowns moderieren. Was sie als Clowns in Kliniken tun, mit wem, wie und warum sie das tun, was sie bewirken und welchen vielschichtigen Beruf diese Profis im Clownskostüm ausüben, dem möchte ich im Gespräch mit ihnen und der Klinikleiterin des Hospizes Vilsbiburg auf den Grund gehen. Wenn Du dabei sein möchtest, kannst Du Dich heute noch zu der (kostenfreien) Online-Zoom-Veranstaltung anmelden unter talk@klinikclowns.de.
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Am 14. Mai eröffnet meine geschätzte Kollegin Ira Blazejewska in Berlin eine Ausstellung im Rahmen der Bayerischen Buchtage. Ich habe ihr Werk „Putin, Putin … 30 Portätbilder“ bereits vor einigen Jahren in München gesehen — besser gesagt: erlebt. Ira ist eine Allround-Künstlerin; sie malt, singt, performt, schreibt… und ihre Auseinandersetzung mit Putin ist auf jeden Fall sehens-, hörens- und erlebenswert. Karten gibt es HIER, und hier kannst Du Iras Blog und Website besuchen.
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Ein weiterer geschätzter Kollege, der Violinist Ferenc Kölcze, machte mich auf ein ganz besonderes Konzert, „The Armed Man“ aufmerksam, das am 15. Mai, 11 Uhr als Matinee in der Münchner Isarphilharmonie unter der Leitung von Andrea Fessmann stattfindet — mit einem riesigen Chor, mit Solisten, mehreren Orchestern und einem Muezzin. „The Armed Man“ wurde 2000 in London uraufgeführt; 2018 dirigierte der walisische Komponist Sir Karl Jenkins sein eigenes Werk in Berlin am 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs mit etwa 2.000 Chorsängern aus 27 Ländern und dem World Orchestra for Peace.
Für das Konzert in München können Karten OHNE Vorverkaufsgebühr per Email oder unter 08856-3695 reserviert werden. Mehr Infos HIER.
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Falls Du Dich fragst, ob das alles ist, was ich in der derzeitigen Kriegs- und Gewaltgeschwängerten Zeit zu sagen habe — ich fürchte, die Antwort ist: Ja. Viel mehr habe ich nicht zu sagen, außer: Mit Kunst und einem Angebot zu Dialog ist wohl kein Krieg zu stoppen, aber immerhin ist Kunst und Krieg nicht zu gleicher Zeit am selben Ort machbar. Kunst zu machen, also einen Dialog zu eröffnen, sei es in der persönlichen Begegnung von Mensch und Mensch, sei es zwischen Bild und Betrachter oder zwischen Darstellern und Zuschauern, ist derzeit alles, was ich zu bieten habe. Und ich biete alles. Alles, was ich habe.

Foto: Jens Heilmann

Herzlichst,