Alle Jahre wieder…

… kommt der Dezember mit seinem Advent, der Vorweihnachtszeit der Christen, und Chanukka, dem jüdischen Winter- und Lichterfest. Assimilierte Juden haben in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts „Weihnukka“ gefeiert; mit Zehntausenden jüdischen Einwanderern ist die Tradition  nach Amerika hinüber geschwappt und dort zu „Christmukka“ mutiert.

Das Jüdische Museum Berlin hatte 2005 die wunderbare Ausstellung WEIHNUKKA gezeigt — hier das Buch zur Ausstellung — , die mich damals inspirierte, unser Programm JIDDISCHE WEIHNACHT zu kreieren. Darin zieht sich die Geschichte meines Großvaters Julius Sommerfeld wie ein roter Faden durch den Abend.

Julius war ein assimilierter Jude, der als Offizier des Kaisers im Ersten Weltkrieg gedient hatte und Jahre später, nachdem er seinen Sohn, meinen Vater Rolf, nach Palästina und andere Verwandte in die Vereinigten Staaten retten konnte, nochmals 1939 in seine Heimatstadt Chemnitz zurück kehrte. Dort wurde er verhaftet, ins KZ Sachsenhausen deportiert und im März 1940 ermordet.
Wie in den vergangenen zehn Jahren spielen wir auch dieses Jahr wieder unsere JIDDISCHE WEIHNACHT, zu der ich Dich herzlich einladen möchte. Solltest Du in der Nähe von Trostberg unweit von Salzburg, im österreichischen Hohenems nahe Bregenz oder in Wasserburg östlich von München sein, freuen wir uns sehr über Deinen Besuch.

JIDDISCHE WEIHNACHT 2019
Freitag, 6. Dezember, 20 Uhr: Postsaal Trostberg
Donnerstag, 12. Dezember, 20 Uhr: Jüdisches Museum Hohenems
Samstag, 21. Dezember, 20 Uhr: Theater Wasserburg

In der JIDDISCHEN WEIHNACHT ist einmal die Rede von ‚Margaretes unnachahmlichem Stollen‘. Meine Großmutter Margarete pflegte alljährlich einen einzigartigen Chemnitzer Stollen zu zaubern. Mein Vater erzählte, sie habe ihn Anfang November schon gebacken, sein Duft habe das ganze Haus erfüllt. Dann legte sie ihn zwischen die Scheiben der Doppelglasfenster, um ihn dort in der Kühle reifen zu lassen, bis im Dezember Eisblumen an den Fensterscheiben wuchsen. Dann erst durfte man ihn anschneiden.
Meine Mutter, die aus Jerusalem stammte und keine Ahnung von Eisblumen, Doppelfenstern oder gar von Weihnachten hatte, sich aber geschworen hatte, meinen Vater sein Leben lang kulinarisch zu verwöhnen, wollte ihm unbedingt die Freude machen und den Stollen seiner Mutter nachbacken. Nach vielen gescheiterten Versuchen — erst war er zu trocken, dann war er „nur ein Rosinenkuchen“, das nächste Mal war er „nicht schwer genug“ — kam mein Vater nach Hause und sagte schon in der Tür: „Heute duftet es wie bei meiner Mutter vor Weihnachten!“. Dieses Rezept hat meine Mutter dann aufgeschrieben, nach diesem Rezept backe auch ich schon seit Jahrzehnten ‚Margaretes unnachahmlichen Stollen‘. Wie ein solcher Stollenbacktag aussieht, habe ich vor ein paar Jahren in diesem Video festgehalten:

Wer’s uns nachmachen möchte: Hier findest Du das Rezept.

Am kommenden Wochenende bin ich zu einer sehr interessanten Zusammenkunft, dem internationalen Friedensratschlag in Kassel eingeladen. Das Leitmotiv heißt ‚Abrüsten statt Aufrüsten‘. Am 7. und 8. Dezember werden viele kluge Leute wie Prof. Werner Ruf, Dr. Margot Käßmann, Prof. Norman Paech und viele andere im Plenum und in Arbeitsgruppen referieren und diskutieren. Was meinen Beitrag betrifft, so freue ich mich sehr, dass zwei junge Menschen von der Deutsch-israelischen Gesellschaft mit mir über ‚Kritik an der israelischen Regierungspolitik und die Antisemitismusdebatte in Deutschland‘ debattieren werden.
Hier findest Du den Flyer mit dem gesamten Programm.

Passend zum Thema sind meine heutigen Buchempfehlungen: In RUSSISCHES ROULETTE (2019) beschreibt Horst Teltschik, welche Chancen nach der ‚Wende‘ nicht zuletzt durch die NATO vertan wurden; er erinnert an die Lehren des Kalten Krieges und fordert eindringlich zu einer neuen Entspannungspolitik auf.
In ARMAGEDDON IM ORIENT (2018) macht Michael Lüders deutlich, welchem Irrsinn wir entgegensteuern, wenn wir der Politik der USA gegenüber dem Iran folgen — und welche katastrophalen Folgen dies nicht nur im Orient, sondern auch bei uns in Europa hätte.
Beide Bücher habe ich mit einer Mischung aus Ungläubigkeit, Entsetzen, teilweise fassungslos gelesen und kann sie allen empfehlen, die gerne hinter die Kulissen der Politik blicken und fundiert begreifen wollen, wie Macht und Interessen zusammen spielen — und welche Konsequenzen das für uns alle hat.

Einen schönen Jahresausklang wünsche ich!
Herzlichst,