Sagt nicht, Ihr hättet nichts gewusst!

In meinem letzten Newsletter hatte ich mein Interview in der ZDF-Sendung ‚Aspekte‘ angekündigt. Ich ging davon aus, dass von den gut zwei Stunden Drehzeit vielleicht anderthalb oder zwei Minuten übrig bleiben würden. Darum hatte ich meine Antworten auf die wirklich guten Fragen der Redakteurin wohlüberlegt formuliert. Leider hat die Redaktion sich für die harmloseste meiner Aussagen entschieden, meine Sendezeit (mit O-Ton) belief sich auf gefühlte 15 Sekunden. Dabei hätte ich noch so viel mehr zu sagen zum Thema Israel, Palästina, Besatzung, Völkerrecht, Deutschlands Nahost-Politik… und nun auch Annexion. Und das tue ich nun hier. Zuvor aber noch die gute Nachricht: Am 18. Juli findet zum ersten Mal wieder ein Konzert mit dem ORCHESTER SHLOMO GEISTREICH statt! Wir bieten in Kloster Seeon die musikalische Einstimmung zum Spielfilm FRAU STERN, bei dem meine Mutter als 80-Jährige debütierte.

Samstag, 18. Juli 2020, 20 Uhr
Halbinsel Kloster Seeon
NIRIT & ORCHESTER SHLOMO GEISTREICH
spielen Filmmusik und mehr
ab ca. 21 Uhr: Filmvorführung
FRAU STERN
Da nur ein verringertes Platzkontingent zur Verfügung steht, bitten die Veranstalter um Reservierung unter 08624/897 201 oder unter [email protected] unter Angabe von Name, Adresse und Telefonnummer aller Personen, sofern sie nicht einem Haushalt angehören. Es können nur personalisierte Tickets abgegeben werden.
Alle weiteren Infos HIER.

Wir freuen uns SEHR auf ein leibhaftiges Wiedersehen! Und bitte nicht übersehen: Unten nach dem Bild geht’s noch weiter.

Sagt nicht, Ihr hättet nichts gewusst!

Alle Welt weiß, dass die israelische Regierung die Annexion großer Teile des palästinensischen Westjordanlandes plant. Dieser Plan soll in wenigen Wochen umgesetzt werden.

Jeder Mensch weiß: Diese Annexion verstößt gegen geltendes Völkerrecht.

Wer informiert ist, weiß: Die Annexion dient lediglich der ‘Legitimation’ der faktischen Besetzung und Beherrschung des Landes, das ein palästinensischer Staat hätte werden können. Die 53-jährige Besatzung, in Israel ‘temporärer militärischer Zustand’ genannt, soll als Ein-Staat-Lösung mit unterschiedlichen Rechten für Juden und Palästinenser legitimiert werden. 

Wer zuhört, weiß: Netanyahu verspricht, es wird keinen palästinensischen Staat und keine Bürgerrechte für Palästinenser*innen geben. Abbas sagt: An den Vereinbarungen von Oslo festhalten, mit dem Zugeständnis, Palästina zu entmilitarisieren. Aber was immer Abbas jemals angeboten oder vorgeschlagen hat, es bleibt ungehört und bedeutungslos.

Wer die Lage vor Ort kennt, weiß: Palästinenser*innen sind tagtäglich in allen Bereichen ihres Lebens extrem eingeschränkt, entrechtet, oft in Lebensgefahr. Leicht vorstellbar, wie es ihnen ergehen wird, wenn sie noch weiter zurückgedrängt werden. Kaum vorstellbar, welche Folgen das haben wird – nicht nur in Palästina, Israel und im Nahen Osten, sondern womöglich als Flächenbrand, der bis nach Europa reicht.

Wer die Geschichte kennt, weiß: Geredet wird permanent, sowohl zwischen Israelis und Palästinensern als auch in der internationalen Gemeinschaft – geschehen tut nichts (Gutes). Die palästinensische Administration arbeitet gezwungenermaßen eng mit Israel zusammen, ist von Israel abhängig, hat aber de facto nichts zu bestimmen. Ändern tut sich nichts – außer dass täglich mehr palästinensisches Land gestohlen wird und die Lebensumstände der Palästinenser*innen sich kontinuierlich verschlechtern. Die Aussichten auf einen eigenen Staat, der völkerrechtlich vorgesehen ist, schwindet zusehends.

Das alles weiß die deutsche Regierung. Doch bis auf Bekundungen von ‘Besorgnis’, bestenfalls ‘Unmut’, bleiben alle Reaktionen ohne Folgen. Doch Deutschland muss jetzt handeln! 

Ermutigend kann das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR wirken, das feststellt: der Aufruf zu Boykott von Produkten aus den sogenannten ‚Siedlungen‘ ist weder Hetze noch Hass und vor allem kein antisemitischer Akt. Es ist ein Ausdruck freier Meinungsäußerung und in einer Demokratie erwünscht. Dass Waren und Produkte aus diesen „unter Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts“ entstandenen Siedlungen gesondert gekennzeichnet werden müssen, hat der Europäische Gerichtshof EuGH schon vor Jahren festgestellt.

Wenn die Haltung der deutschen Regierung zur geplanten Annexion folgenlos bleibt, muss sie sich fragen lassen: Unterstützt Deutschland einen Staat, der ethnische Unterschiede macht und doppelte Standards auf seine Einwohner anwendet – je nachdem, ob sie jüdisch sind oder nicht? Warum treibt Deutschland mit solch einem Staat Handel, akademischen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch? Wie weit muss israelische Politik gehen, wie viele Palästinenser*innen müssen vertrieben, inhaftiert, verletzt, getötet werden, bis Deutschland einlenkt? Wie laut müssen wir Jüdinnen und Juden in Deutschland noch werden, damit Ihr uns hört?

Wie lange es auch immer dauern mag: Sagt nicht, Ihr hättet nichts gewusst!

Bitte unterstütze die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.!

2 Gedanken zu „Sagt nicht, Ihr hättet nichts gewusst!“

  1. Ethnische Saeuberungen waren in der Geschichte teilweise auch ohne Ausrottung „erfolgreich“ , teilweise ging dabei wie bei de n Schotten und Iren mehrheitlich sogar die Sprache verloren – aber ihre Identität gegenüber den Engländern hat sich über die Jahrhunderte erhalten! Teils zur Auswanderung getrieben, teils ins landlose Proletariat gedrueckt, blieb doch ihr nationaler Zusammenhalt bestehen. – wie bei den Juden in derDiaspora! Den Annexionisten bzw. Ultrazionisten muss man klarmachen, dass die Annexionen nicht „nur“ ein Verbrechen, sondern dass sie nutzlos, also ein historischer Fehler sein werden. Da eine Ausrottung der Palästinenser unmöglich ist, wird man mit ihnen zusammenleben müssen! Und werden sie in vier bis fünf Bantustans eingesperrt, ohne Buergerrechte, werden sie den Weg des ANC gehen! Bis diese Apartheid so wie die Südafrika endet…

  2. Danke für die Info. Ganz schön starrköpfig diese Regierung. Versteh ich so überhaupt nicht. Wie mein Bekannter immer so schön sagt. „Wir sind alle bloß Menschen.“
    Ich mach mir Sorgen um die Delfine in Taiji.
    Da muss dringend ein Gesetz her das die Jagd ab September verbietet. Ric o’Berry’s Dolphin Project setzt dich dafür ein.

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