Wir könnten, wenn wir wollten

Liebe Brieffreundinnen und Freunde,

heute möchte ich eine Sammlung von Texten, Videos und Veranstaltungshinweisen mit Euch teilen, denn es ist alles gesagt, gefilmt, gestreamt… aber vielleicht noch nicht genügend geteilt in der Welt. Bitte lies wenigstens die kurzen Abschnitte, die ich aus einzelnen Beiträgen ausgewählt habe, oder suche Dir ein, zwei Beiträge heraus, um ein differenziertes Verständnis der globalen Krisensituation, im Besonderen der Situation in Gaza und Israel, zu vertiefen. Bei den Veranstaltungen freue ich mich besonders auf Chemnitz, wo ich auf dem Grundstück, auf dem das Haus meiner Großeltern stand und wo mein Vater seine Kindheit und Jugend verbrachte, bei einer Lesung dabei bin.

Gerne kannst Du diesen Brief weiterleiten, und gerne kannst Du meine Arbeit mit einem „Paket“ bei STEADY finanziell unterstützen. Das geht schon ab 3,50 €/Monat — das ist etwa der Preis für eine Tasse Kaffee. Die können wir gerne mal (live oder virtuell) zusammen trinken.

Herzlichst,

Fabian Scheidler schreibt in der Berliner Zeitung:
(…) Hier begegnen uns bereits die beiden wesentlichen Charakteristika der Kriegslogik. Zum einen die extreme Disproportionalität zwischen Ereignis und Reaktion. Die Bedrohung durch den Feind wird überdimensional groß gezeichnet, die Antworten stehen in keinem Verhältnis zur ursprünglichen Tat. Zum anderen die Unfähigkeit, den Kreislauf von Ursache und Wirkung zu erfassen. Gewaltakte wie Terroranschläge werden als geschichtslose Manifestationen eines Urbösen gedeutet, die Welt zerfällt in eine manichäische Dualität von Gut und Böse, die keine Komplexität, keine Schattierungen mehr zulässt. Eine Analyse der Ursachen und der Vorgeschichte findet nicht statt, insbesondere nicht, wenn es um eigene Fehler oder gar eine Mitschuld geht. Im Gegenteil: Wer die Entstehungsgeschichte der Gewalt und die Rolle der eigenen Regierungen dabei thematisiert, wird der Relativierung und Verharmlosung des Feindes bezichtigt. (…)
Den ganzen Artikel findest Du HIER.

Ein weiterer Artikel von Fabian Scheidler in der Berliner Zeitung befasst sich mit dem vor zwei Wochen gewaltsam aufgelösten Palästina-Kongress:
(…) Wer sich heute in Deutschland auf die UN, das Völkerrecht und anerkannte Menschenrechtsorganisationen beruft, wird zur Persona non grata, zum Israelhasser, zum Antisemiten erklärt. Und nicht nur das: Er hat inzwischen sogar mit einem Einreise- und Betätigungsverbot zu rechnen, wie etwa der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis und der weltweit renommierte britisch-palästinensische Chirurg und Rektor der Universität Glasgow, Ghassan Abu-Sittah, der am Berliner Flughafen mehrere Stunden festgehalten und dann zurückgeschickt wurde. Sittah hatte im Oktober und November für Ärzte ohne Grenzen im inzwischen zerstörten Al-Schifa-Hospital in Gaza während der ersten Phase der Bombardierungen gearbeitet und dem Internationalen Gerichtshof im Januar über seine Erfahrungen Bericht erstattet. Er und Varoufakis waren für den 12. bis 14. April zu einer Palästina-Konferenz in Berlin eingeladen, an der auch zahlreiche jüdische Teilnehmer beteiligt waren. (…)


Der Göttinger Jura-Professor Kai Ambross gibt im Tagesspiegel ein Interview, in dem er Stellung bezieht zu Israels völkerrechtswidriger Besatzungspolitik und die Bundesregierung scharf kritisiert. Sehr viel fachlich-juristisch detaillierter äußert er sich im Verfassungsblog unter der Überschrift Scharfgestellte Staatsräson.


Amos Goldberg, israelischer Holocaust- und Völkermordforscher an der Hebräischen Universität, hat u.a. das Werk Holocaust und Nakba zusammen mit dem palästinensischen Forscher Bashir Bashir herausgebracht. Am 18. April 2024 schreibt er in ThePalestineProject: Yes, it is genocide (deutsche Übersetzung HIER)


Michael Lüders spricht in seiner neuesten Video-Folge über die (Nicht-)Pläne zur Zukunft des Gazastreifens. Besonders bemerkenswert sind die vielen Aussagen israelischer und internationaler Politiker, die er hier zitiert.


Der Journalist Jonathan Cook aus Nazareth über das Versagen der meisten Medien, neutral und unabhängig über das Geschehen im Nahen Osten zu berichten. Er sagt: Wenn wir wollten, dann könnten wir … (…wissen; den Krieg beenden; die Schuldigen bestrafen):

(…) It can be done – if there is a will to do it.
Journalists at the BBC and the rest of the establishment media understand, however implicitly, that their job is to fail. It is to fail to investigate the genocide in Gaza. It is to fail to give voice to the powerless. It is to fail to provide context and aid understanding. It is to fail to show solidarity with their colleagues in Gaza being killed for their journalism.
Rather, the BBC’s role is to protect the political establishment from ever being held to account for their complicity in genocide.
The establishment media’s job is to create the impression of uncertainty, of doubt, of confusion – even when what is happening is crystal clear.
When one day, the World Court finally gets round to issuing a ruling on Israel’s genocide, our politicians and media will claim they could not have known, that they were misled, that they could not see clearly because events were shrouded by the “fog of war”.
Our job is to explode that lie, to deny them an alibi. It is to keep pointing out that the information was there from the start. They knew, if only because we told them.
And one day, if there is any justice, they will stand in the dock – at the Hague – their excuses stripped away. (…)

Hier sein Artikel Why the media have failed Gaza.


Dem amerikanischen Pulitzer-Preisträger, ehemaligen Nahost-Korrespondenten der New York Times und aufrechten Journalisten Chris Hedges wurde nach zwei Jahren die Zusammenarbeit mit THE REAL NEWS NETWORK aufgekündigt. Dort konnte er seine wöchentliche Interview-Show The Chris Hedges Report regelmäßig aufzeichnen. Der Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses folgte dieses Interview auf TRT, was zum öffentlich-rechtlichen türkischen Fernsehen gehört.


Veranstaltungen:

Am 7. Mai wird die Nakba-Ausstellung gegen massiven Widerstand der Stadt München durch den renommierten Holocaustforscher Prof. Wolfgang Benz eröffnet. Sehr empfehlenswert!


Am 10. Mai, dem Tag der Bücherverbrennung vor 91 Jahren (10. Mai 1933), wird erstmals eine Lesung an dem Ort stattfinden, an dem das Elternhaus meines Vaters in Chemnitz stand. Am ehemaligen Antonplatz 15 werde ich zusammen mit anderen Menschen aus Chemnitz aus verbrannten Büchern und anderen Texten gegen Unrecht und Ausgrenzung lesen.
(für ganze Info aufs Bild klicken bzw. scrollen)


Mitte Mai wird in Israel der Unabhängigkeitstag gefeiert; am 14. Mai 1948 rief David Ben-Gurion den Staat Israel aus. Für Palästinenser ist er der Gedenktag an die Nakba: die Vertreibung von fast 800.000 Palästinensern in den Jahren 1947/48 und die komplette Zerstörung ihrer Dörfer und Städte, etwa 450 an der Zahl. Am 15. Mai findet am Ort des Geschehens eine Zeremonie statt, die der Opfer beider Seiten gedenkt. Dem Joint Memorial Ceremony kann man virtuell beiwohnen. HIER kannst Du Dich für das Online-Event registrieren.
So sah es letztes Jahr aus:


Vom 1. bis 12. Mai findet das Münchner DOK-Filmfestival mit über 100 spannenden internationalen Dokumentationen statt. Vom 6. bis 20. Mai kann man sich die meisten Filme deutschlandweit ansehen. Besonders möchte ich auf die Filme SHAHID und EINHUNDERTVIER aufmerksam machen.

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