Konzert verschoben – Katastrophe in Huwara

Zuerst die schlechte Nachricht: Leider müssen wir krankheitsbedingt unser für morgen geplantes Konzert Nicht ganz kosher! um drei Wochen verschieben.
Die gute Nachricht: Wir haben bereits einen Ersatztermin gefunden!
Das Konzert mit meinem fabelhaften ORCHESTER SHLOMO GEISTREICH findet am Donnerstag, den 23. März 2023 um 20.30 Uhr im alten kino Ebersberg statt. Infos und Restkarten gibt es HIER.

Am 23.3.23 spielt NIRIT & ORCHESTER SHLOMO GEISTREICH das Programm Nicht ganz kosher! in Ebersberg. Mit dabei: Andi Arnold (cl), Pit Holzapfel (tb, git), Robert Probst (p), Christian Schantz (b, git), Günther Basmann (dr)

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Aber nun zu der wirklich schlechten Nachricht. Aus gegebenem Anlass möchte ich ein paar Informationen und Hintergründe zur derzeitigen Gewalteskalation in Palästina und Israel weitergeben. In den gängigen Medien lese ich von „Ausschreitungen“. Unter „Ausschreitungen“ stelle ich mir vor, dass zum Beispiel eine Gruppe von Menschen demonstriert und dann plötzlich einige aus dieser Gruppe ausscheren, im wahrsten Sinne aus-schreiten, vielleicht weil sie wütend sind oder ungehalten, weil etwa ihre Forderungen nicht gehört werden, oder weil sie einfach gewaltbereit sind. Was aber in den vergangenen Tagen in den palästinensischen Städten Nablus und Jenin und zuletzt am vergangenen Sonntag in dem palästinenischen Dorf Huwara geschehen ist, sind geplante Gewaltaktionen seitens der israelischen Armee sowie seitens gewalthungriger, blutdürstiger bewaffneter israelischer Zivilisten, die man gemeinhin als „Siedler“ bezeichnet. Es sind jüdisch-israelische Männer, die auf den umliegenden Hügeln um die palästinensischen Städte und Dörfer herum in illegalen Siedlungen und sogenannten „Außenposten“ leben. Sie ziehen mit Stöcken, Eisenstangen, Sprengstoff, Handgranaten, Brandsätzen und einem schier grenzenlosen Hass auf alles „Arabische“ bewaffnet los, um Angst, Terror und Vernichtung zu verbreiten. Ihr Ziel deckt sich mit dem der israelischen Regierung (und diese Regierung hat keine Scheu mehr, dies klar auszusprechen): Das gesamte Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan soll „judaisiert“ werden, sprich: Palästinenserfrei.

Als „Auslöser“ für die Eskalation erfahren wir hierzulande (und natürlich auch in israelischen Medien), dass ein palästinensischer „Extremist“ zwei Brüder — beide Siedler aus einem benachbarten Settlement — in einem vorbeifahrenden Auto erschossen hat. Diese Tat ist mit nichts zu entschuldigen; aber es wäre klug, sie verstehen zu wollen. Was war der Auslöser hierfür? Was hat den jungen Schützen zum Extremisten gemacht? Kann es damit zu tun haben, dass Tage zuvor elf Menschen in Nablus getötet und über hundert zum Teil schwer verletzt wurden? Hat der Täter dabei oder bei einer der zahllosen israelischen Razzien, die in den letzten Monaten zu Tausenden von Verhaftungen und weit über 100 getöteten Palästinensern im Westjordanland geführt haben, womöglich einen Freund oder Verwandten verloren? Noch einmal: Eine Bluttat ist unentschuldbar und mit nichts zu rechtfertigen. Aber wer Interesse hat, diese Gewaltspirale zu verstehen und womöglich sogar ihr Ende zu fordern, sollte Ursachen und Folgen verstehen und zu unterscheiden lernen.

Dabei können die folgenden Texte von Riad Othman (Nahostreferent bei medico international) und Chris Whitman (Büroleiter in Israel/Palästina bei medico international) helfen, ebenso Beiträge auf Middle East Eye oder dem israelischen Online-Magazin +972. Von entscheidender Bedeutung ist der Haaretz-Artikel von Gideon Levy, zeigt er doch klar auf, dass der Gewaltausbruch in Huwara durch national-religiöse Siedler ein Geplanter war, ein Pogrom auf Ansage, angeheizt durch Aussagen der rechtsradikalen Politiker Ben Gvir, Smotrich und Ben Zion. Letzterer, Vize-Bürgermeister der „Region Samaria“ (was in Wirklichkeit besetztes palästinensisches Land ist, in dem Ben Zion alias Judah Ari Gross mehr als ein Dutzend illegale Siedlungen vertritt) schrieb auf Twitter: „Die Abschreckung, die verlorengegangen ist, muss jetzt zurückkehren, es gibt keinen Platz für Gnade“ und „Huwara muss heute ausgelöscht werden“. Der israelische Finanzminister Smotrich schenkte diesem Tweet einen ‚Daumen hoch‘. In einem TV-Interview (hier auf Hebräisch) gefragt, warum er dies getan hätte, antwortet er: „Weil ich der Meinung bin, dass das Dorf Huwara ausgelöscht werden muss“. Allerdings erklärt er sich, es müsse durch die Regierung geschehen, nicht durch Bürger, die das Gesetz selbst in die Hand nähmen.

Nun frage ich Dich: Müsste es nicht einen internationalen Aufschrei geben? Werden sich deutsche Minister demnächst mit ihren israelischen Amtskollegen treffen und nach dem obligatorischen Handshake bestenfalls erklären, sie seien „besorgt“ und irgendwas von Zwei-Staaten-Lösung schwadronieren?

Ich bin sehr besorgt. Besorgt um Leib und Leben meiner palästinensischen Freunde, um ihre bare Existenz, aber auch um die Existenz und das Wohlergehen meiner israelischen Freunde und meiner Familie. Was ich bereits vor über einem Jahrzehnt vorausgeahnt habe, scheint sich jetzt zu manifestieren. Wenn es so weiter geht, geht es nicht gut aus. Weder für die Israelis, aber schon gar nicht für die Palästinenser. Es wird Zeit, dass wir auch hierzulande lautstark ein Ende der Besatzung und gleiches Recht für alle Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan fordern.

Mit schmerzendem Herzen,

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