Der 9. November gilt als Schicksalsdatum der Deutschen: Am 9. November 1848 scheitert die Märzrevolution, in der Bauern und Arbeiter für ihre Freiheiten auf die Straßen gegangen waren. 70 Jahre später, am 9. November 1918, wird in Berlin die Republik ausgerufen und beendet damit 50 Jahre deutsche Monarchie; zwei Tage danach gilt der Erste Weltkrieg als beendet. Auf den Tag genau fünf Jahre später, am 9.11.1923, scheitert Hitlers Putschversuch in München — er hatte zusammen mit SA-Schlägern versucht, die Feldherrnhalle zu stürmen, und landet dafür in Landsberg im Gefängnis, wo er „Mein Kampf“ diktiert und nach knapp einem Jahr frühzeitig entlassen wird. Neun Jahre darauf wird er im Januar 1933 zum Reichskanzler gewählt. Weitere fünf Jahre danach brennen in Deutschland jüdische Einrichtungen, Synagogen und Geschäfte — es ist der 9. November 1938, die Reichskristallnacht. Warum ich diesen Begriff der „Reichspogromnacht“ vorziehe, habe ich in meinem Blogeintrag vor einem Jahr ausgeführt. Das jüngste deutsche Schicksal wird vom 9. November 1989 markiert, als in Berlin die Mauer fällt.

Für uns Juden ist der 9. November vor allem mit dem Jahr 1938 verknüpft. Keine Jüdin, kein Jude wurde von dem Grauen verschont, das sich vor genau 83 Jahren in allen deutschen Städten, Dörfern und Gemeinden ausbreitete; das lebt in unserem transgenerationalen Gedächtnis weiter. Mein Großvater Julius hatte damals sein Unternehmen, ein Tuchgeschäft mit Groß- und Einzelhandel in Chemnitz, bereits offiziell einem nicht-jüdischen Freund übergeben. Was genau in jener Nacht zum 9. November mit dem Geschäft geschah, kann ich nicht sagen; ich weiß aber, dass mein Großvater — wie alle geschädigten Juden — zur Kasse ‚gebeten‘ wurde, um für die entstandenen Schäden aufzukommen. So konnte die leere Staatskasse bequem aufgefüllt werden. Die Kristallnacht ist in ihrer Brutalität nur ein Mosaikstein der Perfidie, mit der die Nazis ihr boshaftes Machwerk vollbrachten.
Nein! Nicht ganz vollbrachten! Wir leben ja, noch und wieder in deutschen Landen, in diesem Jahr nachweislich seit 1700 Jahren. Darum ist es mir ein Anliegen, sowohl zu gedenken und zu erinnern als auch mit Selbstbewusstsein zu zeigen: „Wir sind hier!“ — und den Fokus auf das zu richten, was im Zusammenleben von Juden und Deutschen gut funktioniert. Und da geht es schon los: Viele Juden in Deutschland sind ja Deutsche, mich eingeschlossen! Worum geht es also? Um das Zusammenleben von Juden und Christen? Um das Nebeneinander von Religionen und Kulturen? Um verschiedene Traditionen bei gleichen Wurzeln?
All das kannst Du bei der Konzert-Lesung Jiddische Weihnacht am 7. Dezember im Münchner Prinzregententheater erfahren! Dort werde ich zusammen mit dem wunderbaren Helmut Becker und meinem großartigen ORCHESTER SHLOMO GEISTREICH singend und lesend viele Geschichten erzählen, auch die meines Großvaters Julius. Es gibt eine Menge zu lernen und zu lachen, tolle Musik, inspirierende Erzählungen, gute Stimmung. Die Kritiken der letzten Jahre bescheinigen uns:
Völkerverständigung in Perfektion geboten
Lichtfest der Religionen
Weltmusik mit Friedensbotschaft
Alle Infos zur Jiddischen Weihnacht findest Du HIER. Karten gibt es bei MünchenTicket oder (vergünstigt, weil gebührenfrei) direkt bei unserer Veranstalterin unter [email protected]*.
*Bitte nenne die Anzahl der gewünschten Karten und die Kategorie. Hier siehst Du den Saalplan. Sollte die Jiddische Weihnacht wegen COVID abgesagt oder verschoben werden, melden wir uns wegen eines Ersatztermins oder einer Erstattung des Ticketpreises.
Ich freue mich sehr auf unser Wiedersehen! Bis dahin grüße ich herzlichst,

Lieber SPONSOR, liebe SPONSORIN in spe: Wenn Du unsere Arbeit nachhaltig unterstützen möchtest, kannst Du unser Filmprojekt Jiddische Weihnacht — live im Prinzregententheater mitfinanzieren. Sicher findest Du unter den vielen Möglichkeiten eine, die dir gefällt und zu Dir passt. Wir sind für jeden Beitrag dankbar und freuen uns darauf, dieses Projekt auch mit Deiner Hilfe realisieren zu können!