Nie wieder, mit niemandem. Ganz gleich, welcher Ethnie, Hautfarbe, Religion. Ganz gleich welcher Überzeugung und Meinung.
Mein Großvater Julius wurde ein Jahr nach der sogenannten „Reichskristallnacht“ verhaftet und kurz darauf ermordet. Sein Andenken zu ehren bedeutet, auf ein universalistisches
Du bist schockiert über den Ausgang der Wahlen in Israel? Ich nicht. Was mich schockiert — nein: entsetzt ist, dass es hier bei uns immer noch kein böses Erwachen gibt angesichts einer Wahl, die unzweifelhaft Rassisten und Faschisten an die Macht in Israel bringen wird. Leute, die keinen Hehl daraus machen, was ihre politischen Ziele sind: Auf jeden Fall mal kein palästinensischer Staat. Diese Leute schämen sich nicht, in aller Öffentlichkeit „Tod den Terroristen“ zu schreien und damit alle Palästinenser zu meinen, die sie grundsätzlich für Terroristen halten. Es ist ihnen übrigens prima gelungen, dieses Bild auch in deutschen Köpfen zu etablieren — oder denkt jemand beim Wort ‚Palästinenser‘ an die vielen Künstlerinnen, Künstler und Intellektuellen, die aus Palästina kommen, Hand auf Herz? Die israelischen Faschisten, die demnächst die Regierung in der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ bilden werden, nennen Palästinenser bestenfalls ‚Araber‘, womit sie ihnen ihre palästinensische Identität aberkennen. Um ihre Haltung noch deutlicher zu machen, bezeichnen sie sie auch gerne mal als ‚Tiere‘, und sie können sich großer Zustimmung dafür in der israelischen Gesellschaft erfreuen.
Das alles schockt mich nicht mehr, denn ich erlebe, dokumentiere und beschreibe seit 2009 genau diesen Verfall der israelischen Gesellschaft in die Abgründe offener Demokratiefeindlichkeit, Ethnokratie, Rassismus und faschistischer Haltungen. Ich tue dies mit wachsender Sorge um das Überleben der Palästinenser und mit größter Besorgnis um die israelische Zivilgesellschaft, die im übrigen immer weniger „zivil“ ist, weil alles Militärische mehr denn je in jede Zelle israelischen Lebens eindringt. Dass es so weit kommen würde, ist also keine Überraschung; aber es macht mich wütend, dass die Reaktionen darauf in Deutschland entweder a) schlicht wegbleiben, b) weggelacht werden wie vom Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, dem das ‚Festhalten an der Kooperation‘ mehr wert ist als alle verratenen Werte, die es einst (auch für ihn als Grünen) zu verteidigen galt, oder c) bestenfalls ein Bedauern oder verhaltene Besorgnis hervorrufen.
HAALLLOOOOO!!! Wacht mal auf, Leute in verantwortlichen Positionen in deutschen Institutionen und Amtsstuben! Was muss denn noch alles an ‚facts on the ground‘ passieren in Israel und Palästina, damit Ihr mal klare Kante zeigt und Eure ‚Freundschaft‘ an Bedingungen knüpft, die Euren eigenen Demokratie- und Menschenrechtswerten entsprechen? Euer heuchlerisches Moralgesülze könnt Ihr Euch langsam sonstwohin stecken — Eure Moral findet problemlos ihre Anwendung bei Sanktionen gegen den russischen Staat, den Ihr immer schon mal in die Schranken weisen wolltet. Dafür nehmt Ihr sogar immense Nachteile in Kauf; aber wenn es um Israel geht, glaubt Ihr Eure historische Schuld durch ewige Freundschaftsbekundungen gegenüber dem ‚jüdischen Staat‘ tilgen zu können; dann sind Moral und Werte, dann sind Menschenrechtsverletzungen an Menschen, denen Ihr beliebig den ‚Terroristen‘-Stempel aufdrückt, kein Hinderungsgrund. Ihr werdet Euch noch wundern, wie wenig an Holocaut-Schuld Ihr durch Euren ewigen Kotau gegenüber einem Staat abarbeiten könnt, der jüdische Werte und die jahrtausendealte Diversität des Judentums selbst verrät.
Stattdessen ergötzt Ihr Euch an angeblich antisemitischen Bildern, Karikaturen, Vorträgen, Liedern, Theaterstücken und sogar Juden und Israelis (sic!), um — auf sie mit Gebrüll! — Menschen mundtot zu machen, die ihre ganze künstlerische oder wissenschaftliche Energie darauf verwenden, Mißstände und Unrecht zu benennen. Jüngstes Beispiel (neben Annie Ernaux und Caryl Churchill) ist die Absage eines Vortrags von Dr. Shir Hever, der für die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) Rhein-Neckar-Heidelberg einen Vortrag über Kinderarbeit in Palästina halten sollte. Die Veranstaltung wurde kurzfristig abgesagt, ohne Begründung. Shir schrieb mir, er wollte in seinem Vortrag u.a. über den Fall Mahmoud Sammoudi sprechen. Mahmoud fuhr regelmäßig nach Jenin im besetzten palästinensischen Westjordanland, um Wasser an vorbeifahrende Autofahrer zu verkaufen, selbst als Jenin zu einer sehr gefährlichen Stadt wurde. Am 28. September schossen israelische Soldaten vor der Muntaha Al-Hureini-Grundschule für Mädchen auf ihn, und am 10. Oktober starb er an seinen Verletzungen. Er war 12 Jahre alt.
Will man solche Geschichten in Deutschland nicht hören? Kann man der GEW nicht trauen, weil die GEW enge Beziehungen zur großen israelischen Lehrergewerkschaft Histadrut haMorim unterhält? In Jerusalem sind 40% der Schulkinder Araber, aber keines von ihnen ist in einer Schule willkommen, in der die Lehrerschaft der Histadrut haMorim angehört. Shir, der selbst in Israel zur Schule ging, schrieb: „Die Lehrer:innen haben dieses System der Apartheid nicht eingeführt, sie haben nur angesichts der Rassendiskriminierung geschwiegen und dazu beigetragen, es aufrechtzuerhalten. Die GEW toleriert den Rassismus der Histadrut haMorim, und es ist leider nicht verwunderlich, dass sie einen Vortrag über palästinensische Kinderarbeit zensiert. (…) Das Vorgehen der GEW, die sich mit der Histadrut haMorim zusammengetan und eine Veranstaltung mit einem jüdischen Redner über palästinensische Kinderarbeit abgesagt hat, kann als Unterstützung der Apartheid, als Antisemitismus und als Rassismus interpretiert werden, oder vielleicht auch als alles drei.“
Worauf wartet Ihr also noch, Ihr, die Ihr schockiert seid und immer noch hofft, dass die jüngsten Wahlen in Israel ein Ausrutscher waren? Die Ihr durch Euer Schweigen dazu beitragt, Unrecht aufrechtzuerhalten? Die Ihr nicht begreifen wollt, dass Israels Unrechtsregime nicht erst mit Netanjahu, auch nicht mit Ariel Sharon, nicht einmal mit dem Revisionisten Menachem Begin 1977 seinen Anfang nahm, sondern mit den „sozialistischen“, den „linken“, den wahrhaft „aufrechten“ Gründervätern um David Ben Gurion, mit den „guten Freiheitskämpfern“ von Palmach und Hagana, denen übrigens auch mein Vater angehörte, und von denen viele ihr Leben riskierten und opferten, um einen „araberfreien“ Staat aufzubauen. Die 1948er Vertreibung von Palästinensern und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen wurde 1967 fortgesetzt — auch damals angetrieben von den Führern der „linken“ Arbeiterparteien, den Zionisten, die den Grundstein dafür legten, dass heute noch vernunftbegabte Menschen an einen jüdischen und gleichzeitig demokratischen Staat glauben — also an die Quadratur des Kreises. Immerhin hat die Vernebelung der wahren Interessen israelischer Siedlungspolitik jetzt ein Ende; den Rechtsradikalen kann man nicht vorwerfen, sie würden ihre Absichten verschleiern.
Es hätte Chancen für Frieden und Ausgleich gegeben, als es noch eine Mehrheit in der israelischen Bevölkerung gab, die an die Lippenbekenntnisse ihrer Regierungen glaubte. Heute haben die Interessen gesiegt, die immer schon die Triebfeder israelischer Politik waren. Wer das von Deutschland aus unterstützen will, kann gerne an der „unverbrüchlichen Freundschaft“ zum „jüdischen Staat“ festhalten und dementsprechend agieren. Der muss sich aber gefallen lassen, als Unterstützer(in) von Rassismus und Apartheid, von Demokratiefeindlichkeit und ja, auch von Antisemitismus bezeichnet zu werden. Denn für die vielen Abertausende von Jüdinnen und Juden weltweit, die sich — wie ich — von Israel nicht vertreten, ja sogar verraten fühlen, ist die kritiklose Unterstützung des Staates Israel in seiner heutigen Form ein Schlag ins Gesicht.
Übrigens: Es sei auch einmal daran erinnert, dass Israel eine Atommacht ist, die sich bisher jeder internationalen Kontolle entzogen hat. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen stimmte vor wenigen Tagen mit überwältigender Mehrheit dafür, dass sich das ändert. Ob Israel sich davon beeindrucken lässt, darf bezweifelt werden.
Weitere Kommentare zu den Wahlen in Israel aus israelischer und jüdischer Sicht, die Du in den üblichen Medien nicht oder selten findest:
Lillian Rosengarten, KZ-Überlebende, schrieb als Reaktion auf die Wahlen dieses Gedicht:
Despair of a Jew
Israel! Once a beloved dream is not a Jewish country Not a nation state but occupier. Racist Israel, what former incarnation of Zionism Twists into your nationalist dream? Have you gone mad fed by your violent history? Victim! Paranoid nightmare for Jews only. Have you forgotten the final solution? Palestinians, Semite brothers now suffer your destruction. Victims uprooted, remain locked in ghettos of despair. Supporters! You! Eat the myth and drink the victim’s blood. Naked victims, besieged by a collective stench Oozing boils that smell of rot. Untangle the crazed twisted shroud of deception! Who amongst you walks in the land of false morality? Joy, poetry and love gone. Orange trees tainted With Palestinian blood spilled by criminal nightmares. I am that Jew who weeps despair.
Und dann noch bei BIP: Prof. Dr. Norman Paech zum Bericht der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese, die konstatiert: „Immer ist es das Ziel gewesen, das Leben für die Menschen so unerträglich zu machen, dass sie freiwillig ihr Land verlassen.“
2022: das bislang tödlichste Jahr seit 2006 mit 105 getöteten Palästinensern, darunter 26 Kinder — eine Steigerung um 57% im Vergleich zu 2021
knapp 4500 Palästinenserinnen und Palästinenser in israelischen Gefängnissen; 730 ohne Anklage und meistens auf Grund geheimer Anschuldigungen in „Administrativhaft“, darunter ca. 600 Kinder
Außerdem: gezielte außergerichtliche Tötungen; Entzug der Wohnerlaubnis; Deportationen, Angriffe und Abrisse von Häusern, Wohnungen und Gebäuden
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft findet übrigens, dies seien nun mal Aufgaben einer Besatzungsmacht (O-Ton).
Eine kleine Stadt in Baden-Württemberg beherbergt eine große Ausstellung, die eine Reise dorthin lohnt: Nach Stationen in Essen, New York und Maastricht wird in Ehingen an der Donau die Portrait-Reihe „SURVIVORS – Faces of Life after the Holocaust“ des Fotografen Martin Schoeller gezeigt. Erfreulicherweise dürfen wir diese Ausstellung musikalisch begleiten – mehr dazu unten. Schoeller benutzt für seine Arbeit jedes Mal dieselbe Ausrüstung und identisches Licht, ähnliche Winkel und Entfernungen – ganz gleich, ob er berühmte Persönlichkeiten oder Unbekannte portraitiert. Dabei widmet er sich allen Menschen mit der gleichen Aufmerksamkeit und Sorgfalt.
Mit SURVIVORS hat Martin Schoeller 2020 anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau 75 Überlebenden ein beeindruckendes Denkmal gesetzt. Er ermöglicht uns mit dem Blick in 75 Gesichter einen Einblick in Geschichten voller persönlicher Erinnerungen, die geprägt sind von tiefstem körperlichem und seelischem Leid und ebenso von unbrechbarem Lebenswillen.
Diese gleichzeitige Existenz von Schmerz und Hoffnung darzustellen ist auch ein wesentliches Element in meinem Konzertprogramm Unter Deinen Weissen Sternen, mit dem wir im Rahmen der Ausstellung SURVIVERS am Freitag, den 21. Oktober 22 um 19.30 Uhr in der Lindenhalle in Ehingen auftreten.
Das Gedenken an den Holocaust lebendig zu erhalten war immer schon Teil meiner künstlerischen und politischen Arbeit, nicht zuletzt aus persönlich-familiären Motiven. Umso absurder ist die sich ständig wiederholende Leier von Vorwürfen, die mir gemacht werden auf Grund meiner politischen Haltung gegenüber israelischer Palästina-Politik bis hin zu diffamierenden Vorwürfen des Antisemitismus (wenn’s nicht so dumm und traurig wäre, müsste ich darüber schallend lachen). Dabei taucht auch immer wieder die Frage nach der Singularität des Holocaust auf. In diesem Zusammenhang ist ganz aktuell dieses Buch erschienen mit zahlreichen spannenden Beiträgen zu dem neuen Historikerstreit, das ich hiermit wärmstens empfehle.
Freue Dich mit mir auf eine Lektüre voller Einsichten und Anregungen, auf bewegende Fotografien in Ehingen und einen Abend mit Musik und Texten, die uns zu einem universalistischen „Nie wieder!“ ermahnen wollen.
Herzlichst,
PS: Kennst Du schon meine Steady-Seite? Wenn Du meine Arbeit gut findest und mich unterstützen möchtest, damit ich weiterhin (und noch besser!) unabhängig arbeiten kann, dann kannst Du das mit einem „Sready-Paket“ tun und auch gerne anderen davon erzählen. Danke!
Im jüdischen Kalender nahen die Hohen Feiertage, beginnend am Abend des 25. September — dies ist tagsüber nach dem jüdischen (Mond-)Kalender der 29. Elul (eine gar nicht so schlechte Erklärung dazu gibt’s auf Wikipedia), und ab Sonnenuntergang ist es bereits der 1. Tischri. Ja, unser Kalender geht nach dem Mond, unsere Monate haben andere Namen und ein neuer Tag beginnt nach jüdischer Auffassung in dem Moment, in dem der alte Tag zuende gegangen ist, sprich: unmittelbar nach Sonnenuntergang. Ich finde, das hat durchaus eine Logik, eigentlich mehr als die Festlegung auf eine Uhrzeit, die einfach beliebig auf 24:00 Uhr bestimmt wurde. Zum Beginn des Neuen Jahres tunken wir Äpfel in Honig und wünschen uns Shana tova u’metuka: ein gutes und süßes neues Jahr. Traditionell gibt es in unserer Familie ein großes Festessen, auf dem Tisch stehen Schälchen mit symbolischen Speisen wie ausgelöste Granatapfelkerne oder Sesam, die uns sagen sollen: So unzählig viel Gutes soll uns im kommenden Jahr widerfahren wie Körner in diesen Schüsseln sind. Ein schöner, ein notwendiger Wunsch, in diesem Jahr ganz besonders.
Ob das Neue Jahr, also das Jahr 5783 nach unserer jüdischen Zeitrechnung, nun wirklich im September beginnt oder doch eigentlich im Frühjahr, wie gewisse orthodoxe jüdische Kreise oder auch die Samaritaner aus Nablus behaupten — sie sehen sich als die reinste und seit Jahrtausenden unveränderte, ursprünglichste jüdische Gemeinschaft der Welt und sie leben friedlich mit ihren palästinensischen Nachbarn auf einem der Hügel von Nablus — darüber herrscht innerhalb des Judentums keine Einigkeit, darüber wird sogar trefflich gestritten. Uneinigkeit unter Jüdinnen und Juden herrscht natürlich auch zu anderen Themen, zuvorderst beim Thema des ‚jüdischen‘ Staates Israel und seiner Politik gegenüber den Palästinensern. Leider kommuniziert der Staat Israel in die Welt hinaus, dass er im Namen aller Juden weltweit spricht und agiert, was de facto aber nicht der Fall ist. Darum geben Organisationen wie die US-amerikanische Jewish Voice for Peace oder der deutsche Verein Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, dessen Mitglied ich bin, immer wieder die Parole heraus „Nicht in unserem Namen!“.
Das Judentum ist eine jahrtausendealte Religion mit hohen moralischen und humanistischen Werten und mit Millionen von unterschiedlichsten Interpretationen der alten Texte. Wen wundert’s, dass es da unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen innerhalb jüdischer Kreise auch bezüglich Israel und seiner Politik gibt?! Leider wird das in Deutschland häufig ignoriert. Daher sage auch ich immer wieder: „Nicht in meinem Namen!“ Jüdische Stimmen dürfen divers sein! Ich darf, ich muss mich als israelische Jüdin kritisch zur Politik meines Staates äußern, besonders wenn ich meine (jüdischen und humanistischen) Werte verraten sehe. Am Ende dieses Briefes zeige ich anhand von drei ausgewählten aktuellen Beispielen, warum. _______________________________________________________________________________
NICHT IN MEINEM NAMEN heißt auch ein Song von Bodo Wartke. Seit 2001 sind wir befreundet — damals waren wir beide Preisträger bei Songs an einem Sommerabend im Kloster Banz. In meinem SHLOMO-GEISTREICH-Programm Nicht ganz kosher!durfte ich seinen Song und eine Szene von ihm, den Götterdialog, einbauen. Bodo feiert sein 25-jähriges Bühnenjubiläum am 3. Oktober um 19 Uhr im Circus Krone Bau in München. HIER gibt’s noch Karten. _______________________________________________________________________________
VOM KALTEN FRIEDEN ZUM HEISSEN KRIEG
Auf diese Veranstaltung an Erev Rosh haShana — zu Deutsch: Neujahrsabend — freue ich mich ganz besonders: Allen Bemühungen verschiedener Akteure zum Trotz ist es niemandem gelungen, weder mich noch den Veranstalter ‚Verein Ulmer Weltladen‘ von den Ulmer Friedenswochen auszuschließen. Stattdessen präsentieren wir uns hochkarätig: Am kommenden Sonntag, den 25. September um 17 Uhr findet im Rahmen der Ulmer Friedenswochen ein Podiumsgespräch mit zwei von mir hochgeschätzten Persönlichkeiten statt: Prof. Norman Paech und Prof. Horst Teltschik werden sich unter dem Titel Vom kalten Frieden zum heißen Krieg zum brisantesten aktuellen Thema austauschen; ich werde das Gespräch moderieren. Beide Herren sind erfahrene Weltpolitik-Kenner; bei aller Unterschiedlichkeit eint sie der unerschütterliche Wunsch nach einer friedlichen Welt. Es ist geplant, die Veranstaltung über meinen YouTube-Kanal live zu streamen. _______________________________________________________________________________
Hier nun drei Texte zu israelischer und auch deutscher Israel-Politik, die mir in den letzten Tagen besonders aufgefallen sind; ich habe sie mit der Übersetzungssoftware deepl.com übersetzt und nicht redigiert — der Sinn und Inhalt lässt sich auch so leicht erfassen. Darüberhinaus empfehle ich Nahost-Interessierten den BIP-Newsletter zu abonnieren. Dort findest Du immer bestens recherchierte Artikel zu aktuellen Themen und Ereignissen in Israel und Palästina; Nachrichten, die man ansonsten in anderen Medien leider vergeblich sucht. Hier nun meine Auswahl: 1. Lügen als Strategie, deutsch (englisch in Haaretz vom 14.9.22) 2. Israels Filmindustrie (+972, deutsch und englisch) 3. Zur documenta fifteen habe ich mich ja bereits im vorletzten Blogeintrag geäußert. Hier das Schreiben der beteiligten Künstler; ich kann ihre Frustration, ihre Wut und ihr Gekränktsein vollkommen nachvollziehen. In der ARD gab es diesen Beitrag zur documenta, der immerhin einige sonst selten gehörte Stimmen zu Wort kommen lässt. _______________________________________________________________________________
Für Schnellentschlossene: Wer heute Abend einer interessanten Diskussion beiwohnen möchte unter dem Titel „Wie weiter in Nahost?“, kann sich beim Gustav-Stresemann-Institut für die Online-Teilnahme anmelden.
Ich freue mich aufs Wiedersehen — am Sonntag um 17 Uhr live in Ulm oder online!
Heute vor 42 Jahren ist mein Vater gestorben. In jener Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Jahre 1980 tat er seinen letzten Atemzug in unserer kleinen Wohnung in einem Münchner Vorort. Ich versuchte ihn noch zu beatmen, wie ich es im Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein gelernt hatte, aber es war vergebens. Meine Mutter rief den Notarzt erst, als sie sicher sein konnte, dass sie ihn nicht mehr in ein deutsches Krankenhaus bringen würden, dem sie nicht vertraute. Er war nicht am Krebs gestorben, sondern an einer fahrlässig falschen Behandlung unseres damaligen Hausarztes. Jahre später begriff ich, dass der Arzt damals schon ein Alkoholproblem hatte. Mir als Jugendliche kam er einfach nur besonders lässig vor. Mittags bekam ich mein Jahreszeugnis der 12. Klasse — warum ich damals zur Schule fuhr, weiß ich nicht mehr, ich kann mich nur daran erinnern, dass ich vor dem Lehrerzimmer zusammenbrach und dass es mir ganz wichtig war, das Zeugnis zu bekommen und mit diesem unglücklichen Schuljahr abzuschließen.
Der frühe Tod meines über alles geliebten Vaters Rolf hat mich so geprägt wie wenige andere Ereignisse meines Lebens. Er hinterließ nicht nur meine damals 43-jährige Mutter und mich — zwei (aus meiner heutigen Sicht junge) israelische Frauen in Oberbayern, sondern auch eine riesige Lücke mit zahllosen unbeantworteten Fragen. 1919 in Chemnitz als Sohn vermögender jüdischer Eltern geboren, wurde er 1935, im Todesjahr seiner Mutter Margarete, als „Saujude“ vom Gymnasium geworfen, weil er es gewagt hatte, im 100-Meter-Lauf schneller zu sein als sein Klassenkamerad, ein strammer Hitlerjunge. Rolfs Vater — mein Großvater Julius, dem ich mein Winterprogramm Jiddische Weihnacht gewidmet habe — schickte ihn in ein Internat in die Nähe von Genf, wo er bis zu seiner Flucht nach Palästina 1937 noch eine erstaunlich glückliche Jugend verbrachte, was sicherlich dem außergewöhnlichen Konzept der Internatsschule Ecole d’Humanité zu verdanken war. Der universelle Humanismus, der meinem Vater in den zwei Schuljahren in dem kleinen Schweizer Paradies inmitten des immer höllendüster werdenden Mitteleuropa von 1935-37 beigebracht wurde, sollte sein ganzes Leben und später auch meine Erziehung prägen.
Um das Leben meines Vaters von seiner Ankunft in Haifa, Palästina, im Sommer 1937 — er 18, meine Mutter gerade in Jerusalem geboren — bis zu seiner ‚Sesshaftwerdung‘ in Eilat am Roten Meer Mitte der 1950er Jahre (immerhin hielt er es dort rund zehn Jahre aus), wo meine Eltern sich später kennenlernten und wo ich Anfang der 60er geboren wurde, ranken sich einige Geschichten. Für mein Buch habe ich dazu recherchiert, wo ich nur konnte: Im Archiv der Palmach in Tel Aviv (Rolf gehörte jahrelang der Kampfeinheit der Untergrundorganisation Hagana an), im Hagana-Museum, in Familienalben, bei Freunden und Verwandten. Und ich habe in meinem Gedächtnis gekramt und habe in langen, stillen Stunden mit mir selbst eine Art Gedächtnisprotokoll niedergeschrieben — Gespräche, die mein Vater und ich in tiefnächtlichen oder frühmorgendlichen intimen Stunden führten, wenn meine Mutter und die Welt um uns herum schon oder noch schlief und er mir einige seiner Geheimnisse anvertraute. Leider weiß ich dennoch viel zu wenig über den Mann, der mein Vater war, dessen Familie von den Nazis verjagt oder ermordet wurde, der in seinen ersten Jahren in Haifa nur weg wollte aus „diesem Orient, aus dem sie versuchen, ein Europa zu machen, doch es wird ihnen nie gelingen.“; so schrieb er es 1938 in einem Brief an seine Schweizer Schule. Und der 1970 in einem zweiten Versuch, in Deutschland wieder Fuß zu fassen, in der oberbayrischen Kleinstadt Ebersberg bei München hängenblieb und somit die Zukunft unserer kleinen Familie besiegelte. Warum auch immer.
Rolf Sommerfeld (1919-1980)
In wenigen Wochen würde mein Vater 103 Jahre alt; er starb mit 60, genau in dem Alter, in dem ich jetzt bin. Seit einigen Jahren bin ich mit seinem Tod etwas mehr versöhnt, weil ich mir denke, dass er jetzt vermutlich ohnehin nicht mehr leben würde. Gleichzeitig ist er in letzter Zeit für mich präsenter denn je. Das hat zum einen mit meinem Buch zu tun, in dem es eine Figur gibt, die charakterlich an ihn angelehnt ist, zum anderen mit den aktuellen Ereignissen in Deutschland, die wiederum direkt mit den Ereignissen in Israel/Palästina zu tun haben. Ich spreche natürlich von der Documenta fifteen und dem unfassbar aufgeblähten „Skandal“, der mit dem wahren, dem real existierenden, dem lebensgefährlichen und dem selten benannten und verfolgten Antisemitismus so viel zu tun hat wie Schweizer Käse mit der humanistischen Bildung meines Vaters. Wenn Du weißt, was ich meine.
Aus den zahllosen Beiträgen der vergangenen Wochen zu diesem Thema habe ich die herausgesucht, die mir am wichtigsten und wirklich lesenswert erscheinen. Du findest sie kurz kuratiert am Ende dieses Briefes. Mein Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn er mitbekommen würde, was derzeit in Deutschland unter „Antisemitismus“ durchgeht. Bei einigen Aussagen mit dem dazugehörigen Betroffenheits-Hundeblick mancher ‚Experten‘ kann ich mich nur fremdschämen. Gerne würde ich diese Leute fragen, was sie gegen Antisemitismus und andere Formen von Rassismus bei der Polizei, bei der Bundeswehr, in der AfD, im Netz, in gewissen Vereinen und Institutionen unternehmen. Gerne würde ich ihnen ein Gespräch mit dem ehemaligen Knesset-Sprecher Avraham Burg vermitteln, der in seinem Artikel (s.u.) bestens erklärt, wem wir bei dieser verfälschten Debatte in Wirklichkeit auf den Leim gehen. Mein Vater würde ihm sicherlich beipflichten.
Ob mein Vater im Himmel ist und mir von Wolke sieben aus zusieht, wie er manchmal lachend prophezeite, oder ob er, wie er immer zu sagen pflegte, die Radieschen von unten anschiebt, oder ob er ganz woanders oder nirgendwo oder überhaupt nicht mehr ist, das weiß ich nicht und habe auch nicht vor, mich für irgend eine Variante zu entscheiden. In meinen Gedanken und in meinem Herzen begleitet er mich ständig, täglich — auf immer und ewig, nehme ich an. Ich danke ihm für alles, was er mir war; ganz besonders für seinen humanistischen Geist, der mich lehrte, keinen Unterschied zu machen in der Bewertung aller Menschen, sie gleich-wertig zu achten und zu behandeln und ihre Unterschiedlichkeiten zu ehren, zu bestaunen und zu schätzen. So geht für mich Humanismus. Ich wünschte, das könnte ich genauso weitergeben. Was mein Vater zur derzeitigen „Antisemitismus“-Debatte in Deutschland sagen würde, kann ich nur erahnen. Und froh sein, dass er diesen Wahnsinn inklusive der Anschuldigungen gegen seine Tochter* nicht leibhaftig erleben muss.
Eine anregende Lektüre und alles Gute wünscht herzlichst,
PS: Wenn Dir meine Arbeit gefällt und Du mich unterstützen möchtest, kannst Du das mit einer Mitgliedschaft bei Steady tun. Wenn Du das erst einmal testen möchtest, dann probiere doch mal die kostenfreie Probe-Mitgliedschaft für einen Monat aus.
PPS: Ab Herbst geht es für mich wieder mit Live-Veranstaltungen los. Ganz besonders freue ich mich auf ein Gespräch mit Prof. Norman Paech und Prof. Horst Teltschik am Sonntag, den 25. September um 17 Uhr, das ich im Rahmen der Ulmer Friedenswochen moderieren werde und in dem wir uns über kalte und heiße Kriege und vor allem deren Vermeidung und Befriedung unterhalten werden. Mehr dazu demnächst.
Hier meine Auswahl zur Documenta 15 und darüber hinaus:
Eva Menasse ist wütend und fragt zurecht, was gefährlicher ist: alte antisemitische Karikaturen aus Indonesien oder Antisemiten, die mit Maschinenpistolen in Synagogen eindringen? Ihr Gastbeitrag im Spiegel: Meint Ihr das wirklich ernst? (29. Juni 22)
Norman Paech sinniert, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der täglichen Gewalt und Apartheid der israelischen Besatzungspolitik und dem steigenden Antisemitismus nicht nur in Deutschland. Räumt die Documenta ab! (2. Juli 22)
Joseph Croitoru beharrt darauf, die Dinge im Kontexte zu verstehen. Darum erklärt er in der Münchner Abendzeitung das Wimmelbild, das auf der Documenta anfangs (oder war es die zweite Welle der Empörung, oder die dritte?!) im Fokus der Aufregung stand, sowie in der Berliner Zeitung weitere Kunstwerke: Das Chaos fair deuten (AZ, 16. Juli 22) Warum diese Bilder nicht antisemitisch sind (BZ, 29. Juli 22)
Werner Ruf und zwei weitere Wissenschaftler rufen in diesem Offenen Brief den Documenta-Aufsichtsrat, die Bundesregierung und die Medien zu einer Korrektur ihres Verhaltens auf: Ist die documenta noch zu retten? (27. Juli 22)
Und heute? Laut des UN-Büros für Humanitäre Angelegenheiten in den Occupied Palestinian Territories (oPt)OCHAoPt sind seit Jahresbeginn 29 Palästinenser getötet worden, darunter 6 Kinder; 273 wurden in diesem Zeitraum in der Westbank verletzt, darunter 24 Kinder. Weitere Infos über Hauszerstörungen, Verhaftungen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen etc. können auf der OCHA-Seite abgerufen werden. Darüber sollten wir sprechen; das sollten wir ändern, anstatt uns über Schweineschnauzen auf indonesischen Wimmelbildern zu echauffieren.
Zuletzt noch als Nachtrag zu meinem letzten Brief ‚Der Schmerz der Anderen‘ ein Kommentar von Charlotte Wiedemann in der taz: Nakba und deutsche (Un-)Schuld Und ganz aktuell ihr Beitrag im Online-Magazin Geschichte der Gegenwart, in dem sie u.a. afrikanische Philosophen zitiert: “ (…) Alle Erinnerungen können geteilt werden, denn in jedem Unglück und jeder Katastrophe unserer gemeinsamen Geschichte ist die Gestalt eines jeden von uns verfinstert worden. Alle Erinnerungen der Erde, ohne jegliche Diskriminierung, sind für den Aufbau einer gemeinsamen Welt unerlässlich.“ Afrikanische Perspektiven auf Holocaust und Erinnerung. Ein Essay über Weltgedächtnis, Prestige und Opferhierarchien
Heute möchte ich Dir ein Buch empfehlen, das mich seit ein paar Wochen begleitet und mich nachhaltig beschäftigt: Charlotte Wiedemanns DEN SCHMERZ DER ANDEREN BEGREIFEN.
Dass unsere eigene Familiengeschichte darin auch eine kleine Rolle spielt, trug anfangs natürlich zu meinem persönlichen Interesse bei. Aber was in diesem Buch verhandelt wird, ist von sehr viel größerer Bedeutung. Es geht um unseren Umgang mit Erinnerungskultur, um globale Gerechtigkeit, um die nie zu vergessende Erinnerung an die Shoa und den Umgang mit anderen Menschheitsverbrechen und wie sie aus nicht-europäischer Sicht betrachtet werden dürfen und können.
Morgen Abend, Freitag, den 30. Juni um 19 Uhr, findet in Berlin eine Veranstaltung der Heinrich Böll Stiftung mit Charlotte Wiedemann zu ihrem Buch statt, die live gestreamt wird. Hier findest Du alle Infos dazu: Buchvorstellung und Diskussion. Und hier geht’s direkt zum kostenfreien Livestream.
Apropos kostenfrei: Hast Du bemerkt, dass es jetzt einen neuen roten Button mit der Aufschrift „Ja, ich will!“ auf meiner Website gibt? Ich bin dem Beispiel vieler Kolleginnen und Kollegen gefolgt und habe mir eine Steady-Seite eingerichtet. Warum und wozu — das erfährst Du, wenn Du auf den roten Button oder HIER klickst 😉
Vielleicht hast Du auch bemerkt (oder auch nicht), dass meine Briefe von Nirit, also mein Blog, den Du als Newsletter erhältst, sich verändert hat. Ich habe weniger, seltener und unregelmäßiger geschrieben in letzter Zeit. Das hat damit zu tun, dass ich an anderer Stelle sehr viel mehr geschrieben habe. Ich arbeite nämlich derzeit an einem Roman — ein sehr aufregender Prozess, der ungeahnte Folgen mit sich bringt! Nicht nur, dass ich mich wochenlang zurückziehen musste (und konnte, Dank einiger Engel in meinem Universum). Auch meine Romanfiguren begannen ein Eigenleben zu entwickeln, das mich immer wieder überraschte und mich zeitweise vor enorme Herausforderungen stellte, weil ich ihnen in unbekannte Welten folgen musste, von denen ich zuvor keine Ahnung hatte. Nun habe ich meine erste Fassung so weit fertig, dass ich mich wieder anderen Dingen zuwenden kann. Der Text darf eine Weile ruhen. Ich denke, es ist wie ein gutes Schmorgericht oder Hefeteig: Zeit und Ruhe, die Du Deiner Kreation gönnst, lassen sie reifen und eine Tiefe entwickeln, die ihrer Qualität guttut.
Und so hängt wieder einmal alles mit allem zusammen: Mein Blog, mein Roman, meine Steady-Seite… ich freue mich, wenn Du einen Blick darauf wirfst. Und auf jeden Fall weiterhin meine Briefe liest! Was ‚meine‘ Themen angeht, habe ich beschlossen, vorerst pro Brief nur ein paar Links zusammenzustellen; die findest Du ganz unten. So bekommst Du eine kuratierte Zusammenfassung und kannst Dich bei Interesse weiter durchs Thema klicken.
Trotz aller unguten globalen Nachrichten: Lass uns nicht vergessen, dass Frieden bei uns allein beginnt. Mit und in uns selbst, mit unseren Nächsten und Liebsten. Hier zumindest können wir einen echten Beitrag leisten und etwas bewirken. Auch und gerade, wenn wir den Schmerz der anderen begreifen.
Um nicht zu vergessen, worum es mir und vielen anderen mit unserer Kritik an israelischer Besatzungspolitik geht (was regelmäßig als „israelbezogener Antisemitismus diffamiert wird, wie absurd!), hier nur mal ein Thema herausgepickt, über das OCHA (UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten) aktuell in einem Newsletter schreibt:
Der Druck auf die Gemeinden von Masafer Yatta im Westjordanland, ihre Häuser zu verlassen, wächst seit dem 4. Mai 2022, als der israelische Oberste Gerichtshof ihre geplante Vertreibung genehmigte, um Platz für militärische Übungen zu schaffen. „In den letzten Wochen wurden die Häuser von Dutzenden von Menschen in Khirbet Al Fakhiet und Mirkez abgerissen, in einigen Fällen bereits zum dritten Mal in weniger als einem Jahr“, sagte Yvonne Helle, die Koordinatorin für humanitäre Hilfe, a.i. „In Khirbet at Tabban und Khallet Athaba‘ wurden in den letzten zwei Wochen neue Abrissbefehle erteilt. Vor kurzem wurde eine Militärübung in der Nähe von Wohngebieten durchgeführt. Die Menschen sind verängstigt.“ In Masafer Yatta leben 1.144 Menschen, darunter 569 Kinder. Abgesehen von den unmittelbaren Auswirkungen der Abrisse auf das Leben und die Lebensgrundlagen der Menschen könnten diese Maßnahmen zu Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsräumungen führen und die Menschen der Gefahr einer Zwangsumsiedlung aussetzen, was eine schwere Verletzung der Vierten Genfer Konvention darstellt. „Die Abrisse, die militärischen Aktivitäten und andere zunehmende Zwangsmaßnahmen in Masafer Yatta sollten gestoppt werden, und die Bewohner sollten in Sicherheit und Würde in ihren Häusern bleiben können“, sagte Helle. „Die humanitäre Gemeinschaft ist bereit, den Menschen in Masafer Yatta Hilfe zu leisten. Letztendlich müssen die Behörden jedoch ihren Verpflichtungen nachkommen, sie im Einklang mit dem Völkerrecht zu schützen.“ Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
Während ich mich letzte Woche über ein blödes Plakat in Berlin echauffierte, fand in Jerusalem die Beerdigung der palästinensisch-amerikanischen Journalistin Shireen Abu Akleh, 51, statt. Shireen wurde bei der Ausübung ihrer Arbeit erschossen. Sie und ihre Kollegen waren „mit Kameras bewaffnet“, wie ein Sprecher der israelischen Streitkräfte erklärte und dabei jede Verantwortung von sich wies.
Shireen Abu Akleh (1971 – 2022)
In Jerusalem läuteten lange alle Kirchenglocken der Stadt, als Shireens Sarg unter den Knüppeln der israelischen Polizei zu Grabe getragen wurde. Dem Trauerzug schlossen sich Tausende an; örtliche Medien berichten vom größten Begräbnis, das Jerusalem seit Jahren erlebt habe. In deutschen Medien gab es darüber meist verhaltene Berichte*. Darum will ich hier einige verlinken, die das Geschehen um den Mord und die Bestattung von Shireen Abu Akleh und deren Bedeutung beleuchten.
*Wenn Du wissen willst, was ich mit „verhaltene Berichte“ meine und warum in Deutschland mit extremer Vorsicht über alles berichtet wird, was mit Rechten von Palästinensern und Unrecht seitens Israel zu tun hat, dann empfehle ich unbedingt den Dokumentarfilm
auf YouTube anzuschauen. Mit dem oberen Link kannst Du den Film ab Sonntag, 22. Mai 22, ab Mitternacht für 24 Stunden kostenfrei ansehen. Hier der Trailer dazu:
Trailer zu ZEIT DER VERLEUMDER
Wir müssen aufhören zu schweigen, wenn Unrecht geschieht, und endlich anfangen, über die wirklich wichtigen Dinge zu sprechen. Um unnötiges Blutvergießen zu verhindern, um nicht noch mehr Schmerz und Verzweiflung zu schüren. Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber ich werde mich so lange wiederholen, bis es kein Unrecht zu beklagen gibt. Ich weiß, das ist lang.
Vorgestern protestierte ich per Mail an die Senatsverwaltung in Berlin, weil sie die Aktion „Solidarisch gegen Hass“ mit einem hasserfüllten Plakat bewirbt und fördert. Das Plakat poste ich hier absichtlich nicht; es zeigt das Hinterteil eines Esels vor einer Wüste, bestückt mit Symbolen u.a. von Amnesty International, und fordert dazu auf, den „Antisemiten des Jahres“ zu suchen und ihn „in die Wüste zuschicken“. Ich glaube daran, dass man schlimmen Dingen nicht zu viel Energie, Aufmerksamkeit oder gar eine Plattform bieten sollte. Auf meiner Website kann ich darüber bestimmen, was es zu sehen gibt und was nicht. Juhuuu.
Ich glaube aber auch daran, dass man sich gegen schlimme Dinge wie Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus wehren muss, zumindest sich dagegen aussprechen sollte. Auch Du kannst tun, indem Du diese gerade gestartete Petition unterzeichnest; da kannst Du auch das Plakat des Anstoßes sehen. Oder Du verfasst eine ähnliche Mail wie meine hier unten eingefügte direkt an die Senatsverwaltung. Nur eine Bitte: Bleibe dabei recht freundlich. Mit Hass bekämpfst Du keinen Hass.
Am Freitag, den 13. wünsche ich Dir ein Glück bringendes, schönes, friedliches und freundliches Wochenende!
Herzlichst,
Sehr geehrte Ansprechpersonen zum Thema Antisemitismus in Berlin! Die Berliner Senatsverwaltung unterstützt dieses Plakat, (das hatte ich beigefügt, zeige es hier aber nicht) auf dem das Hinterteil eines Esels mit einem gelben Judenstern zu sehen ist, daneben BDS und Amnesty International, mit der Aufforderung, den „Antisemiten des Jahres und seinesgleichen in die Wüste zuschicken“. Das verstehen Sie unter „Solidarität gegen Hass“?!? Wie genau gedenken Sie, die Leute, die Sie da ausfindig machen wollenund denen Sie offensichtlich schon mal vorab das Label „BDS, Judenstern, ai“ auf den (Verzeihung:) Arsch gedruckt haben, „in die Wüste zu schicken“? Ist das tatsächlich Ihr Verständnis von Demokratie, von einer pluralistischen Gesellschaft? Glauben Sie wirklich, dass man mit solchen Aktionen Hass reduziert — noch dazu bei einer Veranstaltung am Jahrestag der Nakba, an dem Millionen von Palästinensern weltweit und anerkanntermaßen ihrer Vertreibung von 1948 gedenken? Ich protestiere in aller Vehemenz gegen dieses Plakat, das vor Hass und Entwürdigung nur so strotzt, und fordere Sie auf, endlich Maßnahmen zu unterstützen, die wirklich dazu geeignet sind, Antisemitismus zu bekämpfen, zu verhindern und irgendwann einmal zu beseitigen! Die „Kampagne aus Berlin“ ist nicht „solidarisch gegen Hass“, sondern bewirkt das genaue Gegenteil. In Erwartung Ihrer baldigen Antwort verbleibe ichhochachtungsvoll, Nirit Sommerfeld
PS: Ich bekam umgehend eine Antwort vom Büro des Antisemitismusbeauftragten, das sich für den Hinweis auf das Plakat bedankte, von dem es wohl keine Kenntnis hatte. Mir wurde versichert, man teile mein „Unverständnis“ und meine „Empörung“ darüber und dass sich der „zuständige Ansprechpartner beim Berliner Senat“ dazu äußern werde. Das ist bisher nicht geschehen.
Morgen, Mittwoch, den 4. Mai 22, 19 Uhr, werde ich eine Online-Talkshow mit den Klinik Clowns moderieren. Was sie als Clowns in Kliniken tun, mit wem, wie und warum sie das tun, was sie bewirken und welchen vielschichtigen Beruf diese Profis im Clownskostüm ausüben, dem möchte ich im Gespräch mit ihnen und der Klinikleiterin des Hospizes Vilsbiburg auf den Grund gehen. Wenn Du dabei sein möchtest, kannst Du Dich heute noch zu der (kostenfreien) Online-Zoom-Veranstaltung anmelden unter [email protected]. ______________________________________________
Am 14. Mai eröffnet meine geschätzte Kollegin Ira Blazejewska in Berlin eine Ausstellung im Rahmen der Bayerischen Buchtage. Ich habe ihr Werk „Putin, Putin … 30 Portätbilder“ bereits vor einigen Jahren in München gesehen — besser gesagt: erlebt. Ira ist eine Allround-Künstlerin; sie malt, singt, performt, schreibt… und ihre Auseinandersetzung mit Putin ist auf jeden Fall sehens-, hörens- und erlebenswert. Karten gibt es HIER, und hier kannst Du Iras Blog und Website besuchen. ______________________________________________
Ein weiterer geschätzter Kollege, der Violinist Ferenc Kölcze, machte mich auf ein ganz besonderes Konzert, „The Armed Man“ aufmerksam, das am 15. Mai, 11 Uhr als Matinee in der Münchner Isarphilharmonie unter der Leitung von Andrea Fessmann stattfindet — mit einem riesigen Chor, mit Solisten, mehreren Orchestern und einem Muezzin. „The Armed Man“ wurde 2000 in London uraufgeführt; 2018 dirigierte der walisische Komponist Sir Karl Jenkins sein eigenes Werk in Berlin am 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs mit etwa 2.000 Chorsängern aus 27 Ländern und dem World Orchestra for Peace. Für das Konzert in München können Karten OHNE Vorverkaufsgebühr per Email oder unter 08856-3695 reserviert werden. Mehr Infos HIER. ______________________________________________
Falls Du Dich fragst, ob das alles ist, was ich in der derzeitigen Kriegs- und Gewaltgeschwängerten Zeit zu sagen habe — ich fürchte, die Antwort ist: Ja. Viel mehr habe ich nicht zu sagen, außer: Mit Kunst und einem Angebot zu Dialog ist wohl kein Krieg zu stoppen, aber immerhin ist Kunst und Krieg nicht zu gleicher Zeit am selben Ort machbar. Kunst zu machen, also einen Dialog zu eröffnen, sei es in der persönlichen Begegnung von Mensch und Mensch, sei es zwischen Bild und Betrachter oder zwischen Darstellern und Zuschauern, ist derzeit alles, was ich zu bieten habe. Und ich biete alles. Alles, was ich habe.
Was wenn Krieg ist uns keiner geht hin (frei nach Bertold Brecht)
Was wenn es jetzt schon zu spät was wenn alles Vertrauen geschwunden was wenn die letzte Chance verspielt was wenn Angst und Schmerz regiert was wenn Flucht uns treibt wenn Verletzung um Verletzung ins Gedächtnis sich schreibt von Generationen beerbt was wenn Hoffnungslosigkeit Sinnlosigkeit Verzweiflung Hass Zukunft verschlingt?
Einen Baum pflanzen. Ein Lied singen. Eine Berührung schenken, ein Lächeln. Auch wenn alles zu spät